Das Top Magazin sprach mit Wilhelm Petzold, dem Geschäftsführer der Internetplattform AMA-art.de (Artfriend meets Artfriends GmbH) in Neuss-Selikum.

Herr Petzold, können Sie sich ein Leben ohne Kunst vorstellen?
Wenn es unbedingt sein muss – aber die Literatur, die Musik, die darstellende und die bildende Kunst sind schon eine echte Lebensbereicherung. Sofern man die Möglichkeit besaß, in diese kulturellen Felder hinein zu schnuppern ist es sehr schwer ohne diese zu leben.

Die Corona-Pandemie hat das kulturelle Leben stillgelegt und den Zugang zur Kunst weitgehend verhindert. Wurde der Kunst damit die Systemrelevanz abgesprochen?
Absolut nicht. Viele andere existenzielle Situationen haben hier sogar Vorrang. Mit der Kunst und Kultur kann man sich auch als Einzelperson, im kleinsten Kreis oder in der heutigen Medienlandschaft gut informieren und unterhalten und etwas dabei lernen.

Wann sind Sie zum ersten Mal mit Kunst in Berührung gekommen?
Ich bin damit groß geworden. Meine Familie, väterlicherseits, war über vier Generationen mit der Kunstglasmalerei verbunden. Dadurch ist natürlicherweise ein permanenter Kontakt mit Künstlern Voraussetzung. Bereits als 16-jähriger habe ich mein erstes Kunstwerk käuflich erworben.

Sie sind (das dürfen wir verraten) 80 Jahre alt. Beruflich waren Sie als Marketingmanager in der Computerindustrie tätig. Ehrenamtlich haben Sie über Jahrzehnte wichtige Funktionen in kulturellen Institutionen wahrgenommen. Welche waren das?
Im Jahr 2002 wurden wir von Karl-Heinz Müller (KHM), dem Stifter der Stiftung Insel Hombroich, Neuss angesprochen. Durch eine langjährig gewachsene Freundschaft hat KHM meine Frau und mich zur mitwirkenden Hilfe motiviert. So haben wir dann beide rund zehn wunderbare Jahr auf Hombroich verbracht. Meine Frau hat dabei die Grundlage der Archivarbeit geschaffen und die Marketingaktivitäten der „Insel“ ins Leben gerufen; meine Tätigkeit lag in der Wahrnehmung der Geschäftsführung.

In unserer Nachbarschaft befindet sich das Schloss Reuschenberg, welches vom Ehepaar Düsterberg-Eissing erworben wurde, inklusiv eines vorhandenen Schulgebäudes. Die Schlosseigentümer, meine Frau und ich entwickelten ein Konzept für die Nutzung dieses Gebäudes als Ausstellungshaus. „Wurzeln und Flügel e. V.“ wurde als gesellschaftsrechtlicher Hintergrund eingebunden, ich wurde als Vorstand berufen. Nach den ersten erfolgreichen Ausstellungen hat die Familie Düsterberg-Eissing die Aufgaben für die Zukunft übernommen.

Sigrid Kopfermann, eine bedeutende Nachkriegskünstlerin, hatte vor Ihrem Tod die Kopfermann-Fuhrmann-Stiftung Düsseldorf gegründet. Wir waren wieder dabei. Meine Frau übernahm die Archivierung und den Marketingbereich der Stiftung, mir fiel die Vorstandsarbeit zu.

Ihr Engagement wurde auch durch eine besondere Auszeichnung offiziell gewürdigt?
Tja, ursprünglich gegen meinen persönlichen Wunsch wurde mir 2012 das Bundesverdienstkreuz am Bande für das über mehr als 30-jährige Engagement für die Stiftung-Insel-Hombroich verliehen; ich habe mich dann doch sehr darüber gefreut.

Sie waren und sind also in der Kunstszene gut vernetzt. Sind Sie auch selbst Kunstsammler?
Oh ja – man kann nicht ständig mit Kunstwerken umgehen ohne sie zumindest teilweise besitzen zu wollen. In unserer inzwischen über 50-jährigen Ehe haben wir über 500 Kunstwerke zusammengetragen und freuen uns immer noch über jedes einzelne Objekt.

Vor vier Jahren haben Sie gemeinsam mit Ihrer Ehefrau Helga eine Internetplattform ins Leben gerufen, über die Kunst vermarktet wird. Welche Idee steckte dahinter und was ist das Besondere?
Meine Frau und ich wollten keine neue institutionelle Aufgabe mehr annehmen aber uns noch nicht „zur Ruhe“ setzen. Wir und eine Reihe verbundener Sammlerfreunde wollten eine Perspektive für unsere Kinder entwickeln. In unserem Falle für unsere Tochter Bettina. So entstand die Artfriend meets Artfriends GmbH (AmAArt), um unsere Kunstobjekte oder Kunstwerke von Dritten zu vermarkten. Bettina ist Mitgesellschafterin.

Geld und Geldwert spielen im Kunstbetrieb eine wichtige Rolle. Können Sie mit AmA-Art Geld verdienen?
Das Geldverdienen war und ist nicht das primäre Ziel der Gesellschaft, natürlich sollen die getätigten Investitionen durch die GmbH getragen werden.

Sie haben zahlreiche Kunstobjekte in Ihrem Portfolio. Läuft der Verkauf gut und gibt es Werke, von denen Sie sich ungern trennen konnten?
Ob der Verkauf gut läuft ist eine subjektive Einschätzung. Inzwischen konnten wir 90 Kunstwerke innerhalb von genau drei Jahren vermarkten, viele Galeristen würden sich sicherlich darüber sehr freuen. Wir sind froh, wenn ein aus unserem Bestand verkauftes Kunstwerk einen neuen Platz findet und dem Erwerber Freude bereitet.

Stammen die Kunstwerke aus Sammlungen Ihres Netzwerkes oder nutzen Sie Ihren guten ‚Riecher‘ zur Auffindung von Objekten?
„Sowohl als auch“. Bestände von Sammlern und Erben stammen häufig aus unserem Freundesund Bekanntenkreis. Darüber hinaus werden uns so viele gute Kunstwerke zum Verkauf an geboten, dass wir in vielen Fällen eine Selektion betreiben können und müssen.

Die Nutzer von AMA-Art.de erhalten sowohl als Anbieter wie auch als Erwerber einen besonderen Service in Bezug auf Objektbeschreibung und Verkaufs abwicklung. Wie sieht das in der Praxis aus?
Eine qualifi zierte Detailinformation ist absolut notwendig. Der Käufer hat zur Beurteilung erst „nur“ ein Foto, die haptische Wahrnehmung des Objektes ist dadurch beschränkt. Erst mit der (postalischen) Zustellung des Kunstwerkes erfolgt die volle Wahrnehmung. Die finanzielle Abwicklung erfolgt von uns ausschließlich über das Zahlungssystem der Firma Paypal.

Haben Sie einen Wunsch für die Zukunft der Kunstszene?
„Wir“ sollten/müssen uns erheblich mehr mit der Breitenakzeptanz der Kultur auseinandersetzen. Dies gilt in allen Bereichen der „Anbieter“ als auch der „Empfänger“ dieses Gutes. Kultur ist nicht nur mit öffentlichen Mitteln manipulierbar. In vielen Bereichen sind ab wertende Tendenzen für die Kultur entstanden; was kostet eine Fußball Bundesliga eintrittskarte im Verhältnis zu einer steuerlich geförderten Theaterkarte. Wird hier nicht ein hohes Gut zu häufig verschenkt? Hier sollte zukünftig viel stärker die Kreativität anstelle
der Institutionen gefördert werden.

Können Sie als Kunstkenner den Künstlern einen Tipp für den Kunstmarkt geben?
Der erste Punkt ist die Konzentration der Kunstschaff enden auf die eigene Qualität und Originalität – und der zweite Punkt: auch Künstler*innen müssen ihre „Leistung zu Markte tragen“ und sind selbst verantwortlich für ihre Marktakzeptanz.

 

Autor & Foto: Robert Jordan
Quelle: top magazin RHEIN-KREIS NEUSS – Frühjahr 2021